Barrierefreiheit auf Websites
11/09/23 Digitale Barrierefreiheit erweitert die Nutzerkreise deiner Website oder deines anderen digitalen Angebots um ein Vielfaches. Über Anforderungen, einen Ausblick und wer anpassen muss!
Warum ist Barrierefreiheit wichtig?
Digitale Barrierefreiheit erweitert die Nutzerkreise deiner Website oder deines anderen digitalen Angebots um ein Vielfaches. Barrieren entstehen bereits, wenn z.B. ein gebrochener Arm nur eine Hand zur Tastaturnutzung ermöglicht oder das Kleinkind auf dem Arm mir kurzfristig Barrieren liefert.
Menschen mit Einschränkungen jeder Art können so deine barrierefreien Angebote nutzen, erkennen und verstehen. Die digitale Barrierefreiheit verpflichtet EU-weit alle öffentlichen Stellen zur Umsetzung dieser Richtlinie. Aber auch Online Shops, die Gesundheitsbranche, aber auch im Food Bereich sollte die digitale Barrierefreiheit umgesetzt werden. Schließlich ist eine positive User Experience nicht zu unterschätzen!
Von Barrierefreiheit profitieren alle, nicht nur Menschen mit Behinderungen oder funktionellen Einschränkungen. Unsere Gesellschaft wird immer älter, sodass der Bedarf nach Barrierefreiheit größer werden wird. Unternehmen, die barrierefreie Dienstleistungen anbieten, erschließen sich nicht nur größere Absatzmärkte und Wettbewerbsvorteile. Sie sind auch gut für die Zukunft aufgestellt. Denn sie werden künftig auch mit zur Barrierefreiheit verpflichteten Unternehmen konkurrieren, die mit innovativen barrierefreien Dienstleistungen am Markt sein werden. Zudem gibt es gerade für Webseiten mittlerweile gute und unkomplizierte Instrumente, um sie barrierefrei zu gestalten.
Selbst wenn man selbst nicht gesetzlich zur Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen verpflichtet ist, lohnt es sich zu also zu prüfen, ob Dienstleistungen ganz oder teilweise barrierefrei nach den Vorgaben des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes angeboten werden können.
Anforderungen an die Barrierefreiheit
Seit den BITV-Testrevisionen im März 2021 und Februar 2022 umfasst der BITV-Test nicht mehr 60 Prüfschritte, sondern nun 98 Prüfschritte. Die Liste der Testschritte umfasst (zusätzlich zu den WCAG 2.1-Testschritten) 38 zusätzliche Anforderungen, die EN 301 549 an Webinhalte stellt.
Überarbeitung der Prüfungsschritte 2022
Ab dem 12. Februar 2022 ist die aktuelle Version 3.2.1 der EN 301 549 der verbindliche Standard für Barrierefreiheit. Dieses Update fügt dem BIK BITV-Test sechs neue Testschritte hinzu:
Vier neue Anforderungen aus Kapitel 6, „Zwei-Wege-Audiokommunikation“
- 6.4 Alternativen zu sprachbasierten Diensten: Wenn das Webangebot eine Spracheingabe implementiert, also die Eingabe und Auswahl per Sprache möglich ist (ähnlich wie bei Telefon-Hotlines), ist Sprechen oder Zuhören nicht erforderlich. Und es müssen zugängliche Alternativen dafür vorhanden sein diese Funktionen.
- 6.5.4 Bildtelefon-Synchronisation: Audio und Video in der Echtzeit-Video-Umschaltung dürfen nicht getrennt werden. Daher gilt diese Anforderung nur für Webprodukte, die Echtzeit-Videokonferenzen implementieren.
- 6.5.5 Visuelle Anzeige von Sprachaktivitäten: Diese neue Anforderung gilt nur für Webprodukte, die Videokonferenzfunktionen integrieren. Wenn in einem solchen Meeting jemand spricht, sollte die Stimmaktivität des Sprechers angezeigt werden.
- 6.5.6 Lautsprecheranzeige für Gebärdensprachkommunikation: Gilt nur für Websites, die Videokonferenzfunktionen integrieren. Wenn Teilnehmer in einer Videokonferenz Gebärdensprache verwenden, muss der Aktivitätsstatus (jemand gebärdet) manuell aktiviert oder automatisch angezeigt werden können.
Zwei neue Anforderungen aus Kapitel 7, „Videofunktionen“
- 7.1.4 Untertitelanpassung: Diese Anforderung erfordert, dass Benutzer die Untertiteleigenschaften an ihre Bedürfnisse anpassen können. Dazu gehören Hintergrundgröße, Kontrast, Transparenz, Schriftart, Position usw.
- 7.1.5 Audio-Untertitel: Diese Anforderung erfordert, dass Benutzer Audio-Untertitel für ihre Videos aktivieren können. Ziel dieser Anforderung ist es, Videos mit fremdsprachigen Tonspuren und übersetzten bzw. muttersprachlichen Untertiteln für Menschen mit Sehbehinderungen akustisch zugänglich zu machen.
Overlays zur Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit?
Noch immer sind Overlays nicht zu 100 % barrierefrei: Overlays bewältigen viele große Hürden nicht und werden oft schlecht umgesetzt.
Overlays fügen keine Untertitel hinzu, beheben ARIA-Fehler im dynamischen Element-Markup, beheben Tastaturinteraktionen oder Fehlermeldungen.
Mehr dazu unter:
- https://www.drive.eu/driveblog/beitrag/warum-overlay-tools-nicht-bei-barrierefreien-websites-helfen
- https://www.edf-feph.org/publications/joint-statement-on-accessibility-overlays/
Ausblick in die nahe Zukunft: Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)
Das Gesetz zur Verbesserung der Barrierefreiheit tritt am 28. Juni 2025 in Kraft, was bedeutet, dass ab diesem Zeitpunkt die im Gesetz genannten Produkte und Dienstleistungen barrierefrei sein müssen. Die Übergangsfrist für Kioske beträgt 15 Jahre (bis 2040). Eigentlich sind es nur noch zwei Jahre – wenn sich alle anpassen wollen, wartet nicht noch ein Jahr.
Welche Produkte sollten barrierefrei gestaltet sein?
Unter anderem müssen Unternehmen ab 2025 folgende barrierefreie Produkte bereitstellen:
- Computer, Notebooks, Tablets, Smartphone, Mobiltelefone
- Geldautomaten, Fahrausweis- und Check-in-Automaten
- Fernsehgeräte mit Internetzugang
- E-Book-Lesegeräte
- Router
Welche Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten sind
Folgende Leistungen müssen Unternehmen künftig barrierefrei erbringen:
- Telefondienste
- E-Books
- Messenger-Dienste
- auf Mobilgeräten angebotene Dienstleistungen (inklusive Apps) im überregionalen Personenverkehr
- Bankdienstleistungen
- elektronischer Geschäftsverkehr
- Personenbeförderungsdienste (für Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdienste nur interaktive Selbstbedienungsterminals)
Wer fällt unter das BFSG?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz richtet sich an Hersteller, Händler und Importeure der oben genannten Produkte und Anbieter der oben genannten Dienstleistungen. Ausgenommen von diesem Gesetz sind kleine Dienstleistungsunternehmen (weniger als 10 Mitarbeiter und ein Jahresumsatz von bis zu 2 Millionen Euro). Allerdings fallen Kleinstunternehmen, die Produkte vertreiben, unter das BFSG.
Pflichten der Wirtschaftsakteure
Kapitel 3 des BFSG definiert recht weitreichende Pflichten für Unternehmer. Da es sich bei den Websites und Anwendungen um Dienste handelt, gilt § 14 „Pflichten des Diensteanbieters“ im Wesentlichen wie folgt:
Um eine Dienstleistung erbringen oder anbieten zu können, ist es zwingend erforderlich, dass diese für alle zugänglich ist. Die Erfüllung der Barrierefreiheitsanforderungen ist eine wesentliche Voraussetzung, die erfüllt sein muss, um eine Dienstleistung anbieten zu können.
Bei der Bereitstellung von Informationen sind unbedingt sowohl die „Anlage 3“ als auch die geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu beachten. „Anhang 3“ besagt, dass Informationen zu den Barrierefreiheitsmerkmalen eines Dienstes sowie zu rechtlichen Anforderungen und der zuständigen Marktüberwachungsbehörde in einem barrierefreien Format dargestellt werden müssen. Diese Informationen sollten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder an gut sichtbarer Stelle enthalten sein.
Ein proaktiver Ansatz zum Verständnis und zur Umsetzung relevanter Barrierefreiheitsstandards ist unerlässlich.
Bei Nichteinhaltung von Vorschriften ist eine Meldung an die Marktüberwachungsbehörden in allen EU-Mitgliedsstaaten, in denen die Dienstleistung angeboten wird, zwingend erforderlich. Darüber hinaus ist es wichtig, mit diesen Behörden zusammenzuarbeiten, um die Einhaltung sicherzustellen.
Eine nachhaltige Strategie zur Umsetzung von Barrierefreiheit wird zukünftig für Wirtschaftsakteure immer bedeutsamer.
Ähnliches gilt auch für Wirtschaftsakteure im Bereich der Produkte: Vom Hersteller über den Importeur bis zum Händler – für alle Akteure der Herstellungs- und Vertriebskette der genannten Produkte wurden komplexe Pflichten festgeschrieben.
Marktüberwachung
Die Zuständigkeit für die Marktüberwachung liegt bei den Marktüberwachungsbehörden in jedem der 16 Bundesländer in Deutschland. Die Ausgestaltung des Überwachungsprozesses liegt in der Verantwortung der jeweiligen Bundesländer. Im Rahmen dieses Überwachungsprozesses werden Ad-hoc- und Stichprobenkontrollen durchgeführt.
Das BFSG hat einen dreistufigen Prozess skizziert, der bei Nichteinhaltung einzuhalten ist. Erstens werden zwei Aufforderungen zur Ergreifung von Korrekturmaßnahmen gestellt, die beide innerhalb einer bestimmten Frist gestellt werden. Führen diese Aufforderungen nicht zu einer Umsetzung, erfolgt im dritten und letzten Schritt die Einstellung des Dienstes durch die Marktüberwachungsbehörde.
Der BITV Test - BITV-Selbstbewertung
Der BIK BITV-Test ist ein wichtiger Schritt zur Sicherstellung der Barrierefreiheit von Webseiten und digitalen Anwendungen in Deutschland. Er ermöglicht es Unternehmen und Organisationen, die Zugänglichkeit ihrer Online-Plattformen zu überprüfen und sicherzustellen, dass sie den Anforderungen der BITV entsprechen.
Im Gegensatz zur BITV-Selbstbewertung, bei der die Prüfung z.B. durch Drive anhand des Verzeichnisses der Prüfschritte durchgeführt wird, erfordert der BIK BITV-Test eine externe Zertifizierung. Dieser Schritt kann jedoch mit hohen Kosten verbunden sein, da spezialisierte Prüfer und umfassende Tests notwendig sind, um das begehrte Prüfsiegel zu erhalten. Trotz dieser finanziellen Herausforderung bleibt der BIK BITV-Test ein unverzichtbares Instrument, um sicherzustellen, dass digitale Inhalte für alle Menschen, unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten oder Einschränkungen, zugänglich sind.
Zusammenfassung
Im weiteren Verlauf wird die Integration von Barrierefreiheitsfunktionen in Dienste, Produkte und Anwendungen weiter zunehmen. Leider bleiben kleine Unternehmen immer noch von dieser Bewegung ausgeschlossen, aber wenn die Technologie für Barrierefreiheit verbessert und stärker automatisiert wird, ist es wahrscheinlich, dass auch diese Unternehmen in der Lage sein werden, sie zu übernehmen. Allerdings wird dieser Wandel voraussichtlich mindestens zehn Jahre dauern. Die Rolle der KI in diesem Prozess bleibt unklar.
Die Veröffentlichung „Erklärung zur Barrierefreiheit“ bedarf einer sorgfältigen Prüfung. Es bietet einen detaillierten Überblick über die gesetzlichen Vorgaben, den jeweiligen Dienst und seine Zugänglichkeitsmerkmale sowie die für die Marktüberwachung zuständige Behörde.
Der Überwachungsprozess ist derzeit im Gange und die Zeitpläne für die Lösung von Problemen sind sowohl angemessen als auch mitfühlend. Es empfiehlt sich, bei der Umsetzung von Barrierefreiheitsmaßnahmen proaktiv vorzugehen und nicht auf die Durchführung eines Tests zu warten. Die Nichteinhaltung dieser Maßnahmen kann schwerwiegende Folgen haben, einschließlich der Möglichkeit, dass der Dienst ganz eingestellt wird.
Wir schreiben schon länger über Barrierefreiheit, schaut gerne in unseren füheren Beiträge rein: