Oh, du liebes digitales Deutschland

04/06/23: Über Chancen für Junge, welche nicht mal die Alten verhindern können.

Eine Ode zum digitalen Gedenktag

Wie weit ist es mit dir gekommen, liebes digitales Deutschland? Was hast du erreicht, wo stehst du heute, nach deinem doch so vielversprechenden Anfang vor mehreren Dekaden in der digitalen Frühzeit? Hast du dein Potenzial auch wirklich ausschöpfen können? Anlässlich des "Deutschen Digitaltags", dem bundesweit durchgeführten Aktionstag rund um Digitalisierung, digitale Teilhabe und ganz viel anderem digitalen Gedöns stellen wir uns diesen Fragen: Wo stehen wir und wie geht es eigentlich weiter mit der Digitalisierung in Deutschland?  

Du hattest einen guten Start mit der Digitalisierung - liebes Land der Dichter, Denker und Diplom-Ingenieure

Als es bei dir mit der Digitalisierung losging, liebes Deutschland, so zum Anfang vom Ende des letzten Jahrtausends, da waren deine Voraussetzungen doch recht prima. Deutschland war ziemlich weit vorn, vor allem im Vergleich mit den europäischen Nachbarländern. Während man in Frankreich noch immer mit den kleinformatigen Minitel-Geräten rumfummelte, beschäftigten wir in Deutschland uns bereits mit Anwendungen für Browser und erkundeten die Weiten der globalen Telefonnetze: Open source und ohne Grenzen. Und wir waren, gefühlt zumindest, kurz hinter den US-Amerikanern in der Entwicklung, mit Pioniergeist, Spaß und Freude an der Entdeckung neuer technischer Möglichkeiten. 

Und hatten wir nicht glänzende Aussichten? Große Unternehmen, Land der Ingenieur:innen, der Forscher:innen und naturwissenschaftlichen Entdecker:innen... Warum sollte es bei uns mit Informatik und digitalen Themen nicht auch weiter sturm- und drangvoll vorwärts gehen - weiter, immer weiter? 

Doch dann verliess dich der Mut, du zaghaftes Deutschland. Und es schwanden deine Kraft und dein Antrieb.

Nach den wilden 90zigern kamen die lauwarmen Nuller-Jahre. Als die so genannte "Dotcom-Blase" an ihren vielen und völlig überzogenen Erwartungen "platzte", sahen sich viele Skeptiker:innen im Lande bestätigt: Hatten sie nicht immer "vor diesem Internet" gewarnt? Das "würde sich doch eh nicht durchsetzen". Na also! Und ab da stockte es erstmal in Deutschland, nunmehr Heimstatt der Ängstlichen und der Zauderer. Ein paar Beispiele: 

  • Nur schleppender Ausbau der digitalen Infrastruktur: schlechtes Netz oder gar kein Zugang waren Normalität - miserable Voraussetzungen für jegliche Entwicklung.
  • Fehlende digitale Ausbildung an den Schulen: Digitales ist nicht nur gar kein Thema, welches Lehrpersonal und Stundenplaner:innen einfach konsequent ausblenden. Darüber hinaus fehlen über viele, viele Jahre Gerätschaften, Anschlüsse, Netze, also die gesamte Ausrüstung. Und selbst wenn: die wenigsten an den Schulen hätten gewusst, wie man sie einsetzt und bedient, eben leider bei vielen auch aus grundlegender Ablehnung und Misstrauen heraus, mindestens aber Fremdeln mit digitalen Medien: "Internet - das ist nichts Gutes"
  • Abwertung der MINT-Themen insgesamt, der Unterrichts- und Studienfächer sowie Berufe aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Die Abschaffung des im internationalen Vergleich hoch angesehenen Titels des "Diplom-Ingenieurs" ist dafür nur ein Beispiel. Das Ergebnis: Sinkende Studierendenzahlen bei Ingenieurwissenschaften. Seit mehreren Jahren fällt in Deutschland die Zahl der Studienanfänger:innen in den Ingenieurswissenschaften deutlich. Da müssen jetzt, heute die Alarmglocken läuten. Denn es fehlen gut ausgebildete Menschen, welche die rund 170 000 offenen Stellen für Ingenieure einnehmen und wichtige Aufgaben lösen könnten. Quelle: Sinkende Studierendenzahlen bei Ingenieurwissenschaften, 12. Mai. 2023, von Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik 

In diesen Jahren von Null bis weit in Richtung Zwanzig und heute fand ein Wandel des geistigen Klimas im Lande statt, auch ausgelöst durch die weiteren Wirtschafts- und Finanzkrisen. Angst vor Veränderungen und einer unsicheren Zukunft, und die Wünsche nach Sicherheit und Stabilität prägen seitdem Haltungen, Einstellungen, Verhalten und Entscheidungen. Und bilden so insgesamt keine gute Basis für digitalen Fortschritt. Stattdessen stehen Angstthemen und Unwissenheit über digitale Themen im Vordergrund, auch und besonders bei politischen Entscheidungsträgern. 

Digital: da muss noch mehr gehen, Deutschland!

Netzkapazitäten: schleppender Ausbau

So allmählich ziehen wir mit dem Ausbau unserer Netzkapazitäten nach. Doch immer noch sehen viele Städte und Regionen noch wie Flickenteppiche aus, sieht man sich ihre Netzkarten an.

In den Schulen: gaaaanz langsam digital

Dass Digitalisierung hier endlich stattfinden sollte, ist ein politischer Allgemeinplatz in Sonntagsreden. In der Realität vieler Schulen ist dies angesichts mangelhafter Ausstattungen aber noch nicht wirklich angekommen. Ein Anfang immerhin, aber hier muss noch deutlich mehr passieren. Beispiel Frankreich: Hier betreuen Lehrer:innen ihre Schüler:innen komplett digital: mit Aufgaben, Ergebnissen, Arbeiten, Kommunikationen, genauen Leistungsprofilen und vielem mehr. Digitalisierung ist hier nicht Thema, welches diskutiert werden muss, sondern ganz normaler Alltag, so wie es sein sollte. 

Absolventenmangel: in allen digitalen Berufen der Normalzustand

Wir verfügen über viel zu wenig Entwickler:innen, zu wenig Ingeneur:innen, zu wenig Menschen, die Spaß an digitalen Themen, an Fortschritt und Entwicklung haben. Und andere Länder sind längst an uns vorbei gezogen. Bei uns in Deutschland bewerben sich Entwickler:innen und Digitale aus Asien und Afrika. Warum? Weil wir zwar Herausforderungen bieten, aber zu wenig  Menschen mit ausreichend Lösungskompetenzen diese angehen können. Und über viele Jahre die Ausbildung sträflich vernachlässigt haben. Was wirklich Unsinn ist, angesichts der Zukunftssicherheit.

Die negative Konnotation des "Digitalen" scheint in manchen Milieus Konsens

Statt über faszinierende Themen und Anwendungen auf Spaß und Neugierde zu setzen, haben wir über zwanzig Jahre Angstthemen forciert: "digitale Durchdringung" des Alltags, "gläserne Menschen", "digitale Überforderung", "digitaler Datendiebstahl" und noch vieles mehr. Sicher sind davon einige Themen wirklich herausfordernd, Sorgen berechtigt und Gefahren grundsätzlich nicht zu unterschätzen. Aber sie könnten statt mit Verboten mit Anreizen für gute Lösungen und Anwendungen gelöst werden. Dafür benötigt man dann halt technisches Verständnis, Aufgeschlossenheit und vor allem, in diesem Fall, digitale Medienkompetenz. 

Statt Vorreiter:innen im internationalen Vergleich, die wir waren und hätten bleiben können, sind wir nur noch Nachhut und schauen anderen hinterher. Meist und überwiegend. 

Denn es geht doch! Trau dich einfach wieder, Deutschland!

Jetzt kommen ein paar positive Beispiele. 

K.I. ist eine große Chance

Ein neues Angstthema? Nein, denn voll großer Chancen für tolle Anwendungen in so vielen Bereichen. Mit den Möglichkeiten, Aufgaben schnell und gut zu lösen, wenn richtig eingesetzt, und damit freie Kapazitäten für andere Aufgaben schaffend. Schneller, weiter, besser. Was können wir damit heute und morgen Tolles erschaffen? So muss die Herangehensweise sein. Werden wir mit diesem Thema in Deutschland erfolgreich sein? Ja, wenn wir es grundsätzlich anders angehen als bisher. 

DRIVE in internationalen Entwicklungsprojekten

Wir von DRIVE sind gute Entwickler:innen und übernehmen Schlüsselpositionen in internationalen Entwicklungsteams, zum Beispiel mit Kolleg:innen aus Indien, China, Kanada und Mexiko. Weil wir über sehr gute fachliche Kompetenzen verfügen, diese über Jahre aus- und immer weiter ausgebildet haben. Hohe Sorgfalt und Sicherheit in der Prüfung und Kontrolle sind bewährte Ingenieurs- und Entwicklerkompetenzen, die wir hoch halten und pflegen. Freude an der Entwicklung komplexer Anwendungen ermöglichen spannende und aufregende Projekte, die wir super lösen können und das bringt einfach Spaß!

Die Speerspitze der Digitalisierung in den Ingenieurswissenschaften kommt aus Hannover

Ein Beispiel: Das IKM, Institut für Kontinuumsmechanik an der Leibniz Universität ist in der Digitalisierung und Simulation von Anwendungsmodellen für Ingenieurswissenschaften international ganz weit vorn. Student:innen aus aller Welt kommen hierher, um zu studieren und sich weiterzuentwickeln, mit besten Aussichten für Beruf und Karriere weltweit. Hannover hat sich ein neues Digital Areal für MINT gebaut, vor den Toren, mit 5-Minuten-Anbindung an den internationalen Flughafen. Das IKM geht voran. Die Leibniz-Universität ist gut. Der Standort Hannover ist also wissenschaftlich eigentlich einfach Spitze. Nur, und damit ist er beispielhaft für Deutschland, merkt er das selbst noch viel zu wenig.

Die Chance für Hannover, für Deutschland: Wieder "Stadt und Standort für kühne Gedanken" zu werden

Lange sonnte sich Hannover im Glanz der großen Messen. Doch der ist längst verblasst, denn deren Zeit vorbei: zu teuer, zu groß und digital gehen Treffen viel einfacher. (Wenn, dann müsste eine Messe neu, faszinierend, spannend und aufregend sein, um Menschen hierher zu locken. Aber das ist ein anderes Thema.) Doch diese Stadt und damit auch der Standort Deutschland können so vieles mehr. Wir sind international, wir sind und sollten tolerant und weltoffen sein. Schlau, wissbegierig, neugierig, problemlösend, uns beständig weiter entwickelnd. Mit anderen gemeinsam. Um für die großen Fragen und Herausforderungen gute Antworten finden und zukunftsweisende Lösungen entwickeln. Digitalisierung ist davon ein sehr wichtiger Teil. 

Deutschland braucht endlich wieder DRIVE

Was es wirklich braucht, ist die richtige Herangehensweise, der richtige Antrieb. 

Spaß, Freude, Begeisterung

... an Digitalem, Wissenschaft, Technik und allem, was man damit erreichen kann.

 Kompetenz, Neugierde, Können

... und den Willen, immer wieder neu zu lernen. Sich selbst ständig zu verbessern, seine Grenzen neu zu verschieben. 

Eine positive Ideenkultur (die wir bei DRIVE sehr pflegen)

Alles geht und kann vorgebracht werden. Es gibt erstmal keine schlechten Ideen. Mit Forscherdrang neues Terrain erkunden wollen.

Verantwortung, Reflektion, Übersicht

Wir bewegen uns auf neuem Terrain. Hier muss man gut und ständig aufpassen. Umsichtig sein. Offen für andere. Transparent. Ehrlich und klar. 

Mut. 

Keine Angst vor Neuem. Wer wagt, mit Umsicht, gewinnt, mit Recht und Zuversicht. Alles in einer guten Balance - dann geht´s auch vorwärts mit der Digitalisierung: schnell, zügig, nachhaltig. Hier seht ihr, wie wir es bei DRIVE machen.

Warum ist das wichtig? 

Weil das Thema jungen Menschen unendlich viele Chancen bietet. Und damit auch Deutschland insgesamt. Und dafür braucht es einfach den richtigen Antrieb.

Und was die Politik tun kann, soll und muss

  • Digitale Infrastruktur ausbauen! Endlich! Nachhaltig! Überall und ohne Zaudern und Zögern. Wir brauchen das beste und schnellste und leistungsfähigste Netz. Hier und überall. 

  • Digitale Bildung voranbringen! Digital muss Pflichtfach sein. Ebenso alle kreativen und technischen Fächer, alles, was die Voraussetzungen der Schüler:innen in Deutschland voranbringt. Und dass die Infrastruktur in den Schulen gegeben sein muss, versteht sich von selbst.

  • Die Wissenschaft proaktiv unterstützen! Den Wissenschaftsstandort Deutschland aktiv national und global promoten. 

  • Die Unternehmen fördern! Ohne die, ohne uns wird's nicht gehen. Wir brauchen Nachwuchs! Gut ausgebildet. Wir brauchen weniger Hemmnisse und mehr Spielraum. Weniger Staat. Und natürlich niedrigere Steuern, aber die brauchen wir immer.

Was wir nicht brauchen: Gedenktage an Digitales. Zur Erinnerung an einen lieben Gedanken, der schon nicht mehr so richtig wahr wird? In einem technikfeindlichen Klima würde das vielleicht goutiert. Aber das wollen wir ja nun wirklich nicht, oder? Wir wollen vorwärts. Weiter, immer weiter. 

Zum Digitaltag selbst - was er soll und kann

Der Digitaltag ist eine Initiative, die in Deutschland ins Leben gerufen wurde, um die Digitalisierung in der Gesellschaft zu fördern und die digitale Teilhabe zu stärken. Der Digitaltag findet einmal im Jahr statt und bietet eine Vielzahl von Veranstaltungen, Workshops, Vorträgen und Diskussionen rund um das Thema Digitalisierung.

Ziel des Digitaltags ist es, Menschen aller Altersgruppen und Hintergründe für die Chancen und Herausforderungen der digitalen Welt zu sensibilisieren. Dabei geht es unter anderem um Themen wie Datenschutz, IT-Sicherheit, digitale Bildung, künstliche Intelligenz, E-Government, Smart Cities und vieles mehr. 

Unser Autor

... ist Digitaler der ersten Stunde in Deutschland, gestaltet und baut seit gefühlt 100 Jahren digitale Kommunikation und Anwendungen, in Deutschland, Europa und der ganzen Welt; hat das Internet in Deutschland quasi mit erfunden und, das ist besonders wichtig: den ersten digitalen Comic in Deutschland kreiert und veröffentlicht. 

Hier noch ein paar andere Beiträge von uns zum Thema:

GERMAN DIGITALIZATION - DIGITALISIERUNG IN GOOD OLD DEUTSCHLAND - WAS LÄUFT NICHT?

DEUTSCHLAND - "DIGITAL-LAND"?

Bringen bestimmt auch Spaß beim Lesen.

Stephan Probst

Habt ihr Fragen?

Stephan Probst unter pole-position(at)drive.eu - frohe Botschaften für alle. Stephan ist DRIVE und seine Begeisterung reißt alle in der Agentur mit.