Das Bike bei DRIVE - die Velocette LEVal

05/07/20 Die Maschine bei DRIVE im Eingang ist eine Leihgabe von Walter Probst.

Das "Noddy-Bike" der britischen Polizei

Hier hat Walter Probst die Geschichte dieses sehr spannenden Motorrads zusammengestellt, mit Auszügen aus “Motorräder – berühmte Marken von AJS bis Zündapp“ von Dr. Helmut Krackowizer, 1989, Seite 270 ff.

Walter Probst mit Velocette Leval
Walter Probst mit Velocette Leval

Velocette – Bannerträger des Einzylinder-Motors mit legendären Sporterfolgen

Das Schicksal wohl kaum einer anderen Motorradfirma ist so typisch für den Aufstieg und Niedergang der Motorradindustrie in England wie das der Firma Velocette. Die Sportgeschichte weist einmalige Höhepunkte und Erfolge von 1921 bis 1961 auf. Auch der Beitrag dieser Firma zur Motorradtechnik ist wesentlich größer, als man vermuten könnte. Nicht nur die Innenbackenbremse und die heute übliche Fußschaltung, bei welcher der Schalthebel immer in die Null-Lage zurückkehrt (positive stop), sondern auch die Gestaltung der Hinterradfederung, die heute bei Motorrädern allgemein üblich ist, mit Schwingarm und Federbeinen, stammt von Velocette. Der berühmte KTT-Königswellen-Motor von Velocette ist geradezu der Inbegriff des bis ins letzte Detail entwickelten englischen Einzylinder-Hochleistungsmotors dessen Konzeption letztlich auch von der bekannten Firma Norton übernommen wurde.

Eigentlich beginnt die Historie von Velocette in Deutschland

Denn der Firmengründer John Goodman hieß ursprünglich Johannes Gütgemann und stammte aus Deutschland. Im Alter von neunzehn Jahren ging er 1876 nach England, heiratete dort und begann mit einem Mr. Barrett in Birmingham in der Firma Taylor Gue. Ltd. Fahrräder zu produzieren.

  • 1905 brachte Taylor ein Motorrad unter dem Namen “Veloce“ auf den Markt. Im gleichen Jahr ging die Firma jedoch in Liquidation. John Goodman gründete unmittelbar danach mit einem neuen Kapitalgeber die Firma Veloce Ltd.
  • 1914 brachte die Firma Veloce ein preiswertes Zweitakt-Modell auf den Markt, das als Modellreihe bis 1940 gebaut wurde. Dieses Motorrad der Firma Veloce trug in Goldschrift den Typennamen “Velocette“ auf dem Tank. Damit war der spätere Markenname für alle Modelle geboren. Der Firmenname “Veloce“ wurde jedoch beibehalten.

1921 nahm Velocette zum ersten Mal an der TT-Tourist-Trophy teil

Und Velocette erzielte mit den Plätzen 3, 5 und 7 auf Anhieb achtbare Ergebnisse. Inzwischen waren die Brüder Percy und Eugene, Söhne von John Goodman, in die Firmenleitung eingetreten und trafen 1924 die Entscheidung, ein leistungsfähiges Viertakt-Modell zu entwickeln, das ein Jahr später in der TT ausprobiert wurde, bevor es in die Produktion ging.

  • Bereits 1926 gelang Velocette mit diesem Modell ein sensationeller Sieg in der 350 ccm-Klasse der TT, abgerundet mit den Plätzen 5 und 9. Das war gleichzeitig der erste Sieg einer Königswellen-Konstruktion, die damit auch für andere Firmen richtungweisend wurde. Nach einem 2. Platz in 1927 gewann Velocette bei der TT 1928 mit den Plätzen 1, 2 und 5. 1929 gewann Velocette wiederum die 350er Klasse, gefolgt von einem 3. Platz und Velocette-Privatfahrern auf den Plätzen 5, 6, 7, 10 und 11, die käufliche Versionen der Werksmaschinen fuhren.
  • Die im Normalgeschäft angebotenen Zweitakt-Modelle wurden ab 1933 durch eine zusätzliche Reihe von Viertaktmodellen ergänzt. Die Rennerfolge überließ man in den Folgejahren den Privatfahrern, die z.B. 1933 in der 350er- Klasse der TT unter den ersten 16 Fahrern im Ziel 11 Plätze belegten. Inzwischen hatte Velocette aber auch für die 500er Klasse eine Rennversion entwickelt, die von 1936-1938 in der TT jeweils den 2. Platz belegen konnte.
  • 1938 und 1939 gewann Velocette wieder die 350er-Klasse der TT und wurde 1938 auch Europa-Meister. In der 350er-TT 1939 gab es nach dem Sieger weitere 5 Velocettes unter den ersten 10 und weitere 26 im Ziel.

Zur Perfektion entwickelte Rennmodelle

An diesen Zahlen mag man die Bedeutung und Überlegenheit dieser Schritt für Schritt zur Perfektion entwickelten Rennmodelle ersehen. In den Jahren von 1926 bis 1939 hatte sich Velocette von einer fast unbekannten Marke zu einer der in Motorrad-Sport und -Technik am meisten respektierten Firmen hochgearbeitet, obwohl sie nach heutigen Maßstäben ein Zwerg war. Die Produktion lag im Jahr 1939 bei nur knapp über 100 Maschinen in der Woche.

  • 1947 gab es dann wieder die erste Nachkriegs-TT, wobei Velocette unter den ersten 10 Fahrern der 350er-Klasse die Plätze 1, 2, 3, 4, 7 und 8 belegte. Auch 1948 und 1949 siegte Velocette in der 350er-Klasse der TT und war mit käuflichen Privatfahrermaschinen in großer Zahl auf den Plätzen zu finden. Ab 1949 wurde dann eine Motorrad-Weltmeisterschaft ausgetragen, die 1949 und 1950 in der 350er-Klasse von Velocette gewonnen wurde.
  • 1961 stellte Velocette mit einem 500er Motorrad, dem Serienmodell “Venom“, einen Weltrekord über 24 Stunden mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 100,05 Meilen/h auf, d.s. 161,01 km/h, der bis heute nicht überboten wurde.

Die Leitung des Familienbetriebs sah inzwischen, dass die Zukunft des Zweirades in einer anderen Richtung zu suchen sei.

      Die LE "Little Engine" - ein Fahrzeug für alle und für die Polizei

      • 1949 erschien bei Velocette ein ungewöhnliches Fahrzeug, ein Zwitter zwischen Roller und Motorrad, das Modell LE, Little Engine, mit einem wassergekühlten seitengesteuerten Boxer-Motor von zunächst 149 ccm Hubraum und Kardan-Antrieb, Telegabel vorn und Schwinge hinten. Dieses leise und bequeme Fahrzeug für “jedermann“ mit Teilverkleidung, wurde zwar mit Zurückhaltung vom Markt aufgenommen, so ungewohnt war seine Erscheinung, fand aber dann bald guten Absatz.
      • 1950 wurden monatlich etwa 160 Stück davon hergestellt. Das war die Kapazitätsgrenze der Firma und somit auch der Grund, warum die Fertigung der übrigen Modelle zunächst nahezu eingestellt wurde. Der Hubraum der LE wurde 1951 auf 192 ccm vergrößert. Die Leistung betrug 8 PS.

      Mit diesem Fahrzeug wurde die englische Polizei in großem Stil ausgerüstet, so dass schließlich gegen Mitte der 60er Jahre nahezu die gesamte LE-Fertigung an die Polizei geliefert wurde.

      Die Valiant

      • 1956 stellte Velocette ein neues Modell vor, die Valiant. Anstelle des Pressstahlrahmens der LE, wurde ein konventioneller Motorradrahmen verwendet, in den der Motorblock und die Antriebseinheit der LE gesetzt wurden. Jedoch war der Motor kopfgesteuert und luftgekühlt und gab mit 12 PS eine höhere Leistung ab als bei der LE. Die Valiant wurde bis 1964 gebaut, die Fertigung der LE lief bis 1970.

      Trotz des Verkaufserfolgs der LE geriet Velocette, so wie auch nahezu alle übrigen englischen Motorradhersteller, schließlich in finanzielle Schwierigkeiten, so dass die Firmenleitung 1970 in eine freiwillige Liquidation ging.

      Nahaufnahme des Motorrads
      Nahaufnahme des Motorrads

      Die LEVal - Hybrid aus LE und Valiant

      Die LEVal ist eine sogenannte Hybrid, als private Bastelei entstanden aus 2 verschiedenen Motorradtypen. In diesem Fall wurde der Motor der LE einschl. Antriebseinheit in das Fahrgestell der Valiant gebaut. Das war insofern relativ unproblematisch, da Kuplung, Getriebe und Antriebsstrang bei beiden Typen nahezu identisch sind. Das Hauptproblem bestand in der Verfügbarkeit des Fahrgestells. Von der Valiant wurden von 1956 – 1963 ca. 1600 Maschinen gebaut, von der LE Mk III von 1958 – 1971 ca. 8000. Allerdings war die Unterbringung des Wasserkühlers der LE im Fahrgestell der Valiant ein wenig schwierig. Für den Umbau kam nur der Motor der LE Mk III infrage, da dieser über eine Fußschaltung und 4-Gang-Getriebe verfügt, gegenüber der Mk II mit Handschaltung und 3-Gang-Getriebe.

      Die LEVal - das "Noddy-Bike" der britischen Polizei

      Noch ein Hinweis: Die LE’s wurden in England “Noddy-Bikes“ genannt. Im Polizeieinsatz mussten nämlich bei Begegnungen die höherrangigen Polizisten durch Handheben gegrüßt werden. Um dabei das Loslassen des Lenkers zu vermeiden wurde angeordnet, dass stattdessen ein Kopfnicken ("nod") ausreichend sei, deshalb "Noddy-Bike".