Was treibt A.I. bloß mit Text & Strategie?

26/01/23: Die Aufregung um A.I. nimmt kein Ende. Texter und Strategen - werden jetzt alle überflüssig? Es könnte katastrophaler kaum werden.

Hier kommt ein Überblick, was alles an Veränderungen in Text, Strategie und Konzept ansteht, mit Vorschlägen zur Einordnung und Bewertung. Viel Spaß beim Lesen und mit der ausdrücklichen Bitte um Widerspruch.

 

Wer braucht noch Text, der von Menschen geschrieben wird?

Kann die Artificial Intelligence (A.I.) doch eh alles und das viel besser! Das Wunderinstrument hier soll Open ChatGPT sein, kurz für "Generative Pretrained Transformer", ein Tool, welches aus einfachen Arbeitsaufforderungen, sogenannten "Prompts", anhand von Regeln und Vorgelerntem komplette Texte vermeintlich selbstständig schreibt. Die Funktionsweise ist ähnlich wie anhand der Generierung von Bildern durch A.I. dargestellt, siehe hier: www.drive.eu/driveblog/beitrag/killt-ai-die-kreation. Die Texte, welche die Software erstellt, basieren auf statistischen Wahrscheinlichkeiten, mit denen bestimmte Wörter auf andere folgen, also nicht auf der Überprüfung von Fakten oder der Beurteilung von Wahrgenommenem, sondern auf dem, was woanders bereits geschrieben worden ist. Je mehr davon, desto vermeintlich sicherer, je weniger, desto unsicherer.

Der Hype und das Getöse drum rum sind riesengroß: Werden jetzt vielleicht nicht alle, aber doch zumindest viele Texter arbeitslos, weil die Maschine ihre Arbeit übernehme, nämlich das Schreiben halbwegs intelligenter, weil lesbarer Texte? Das ist zumindest die große Angst, die umgeht. Aber: Kann die A.I. denn wirklich so viel wie versprochen und befürchtet? Ein kurzer Überblick über einige Beispiele und Erfahrungen.

 

SEO-Texte erstellen

Diese Arbeit ist einfach: Für Suchmaschinen werden stupid Texte aus Bausteinen und Synonymen nach Google Regeln zusammengeklöppelt. Hauptsache, jedes mögliche Keyword ist drin, nach welchem wer auch immer suchen kann: Das "Haupt-Wort", Synonyme in allen möglichen Mundarten und relevanten Fremdsprachen, Anwendungen in möglichst großer Zahl, von allem ein bisschen, nicht zu viel und nicht zu wenig. Das klingt recht einfach und ist es auch. Die A.I. kann das gut und menschliche Kreativität und Lebenszeit scheinen hier wirklich verschwendet, denn lesen tut das sowieso außer der dummen Google-A.I. niemand. Suchmaschinentexter, deren Kompetenz dies wäre, sollten sich künftig etwas wärmer anziehen. (Google versucht natürlich, dagegen anzugehen und anhand noch differenzierterer Regeln zu erkennen, ob der Text nun man- oder machine-made sei, ehrlich: selbst schuld.)

Lexikalische Wissenstexte schreiben - die "Hausaufgabenhilfe"

Rein aus bereits Bestehendem etwas extrahieren und daraus Anderes zu generieren - das schafft A.I. gut. Sie nimmt bereits vorhandene Informationen und Texte, setzt die Wörter zueinander in Beziehungen, leitet daraus Regeln ab, die sie meint zu erkennen und erstellt eigenes Material. Wikipedia ist eine wichtige Quelle. Für eine einfache Hausaufgabenhilfe kann dies vollauf genügen, z.B. wenn einfach nur Sachverhalte abgefragt werden. Aber würden die stellenden Lehrer etwas komplexere Fragen stellen, z.B. Einordnungen und Bewertungen erwarten, kann die A.I. schnell an Grenzen gelangen. Denn sie kann sich nur auf bereits Bestehendes beziehen.

Formulare ausfüllen - ein gutes Improvement

Hurra, eine sinnvolle Anwendung! Hierbei kann Mensch wirklich sich viel Mühseliges ersparen und kostbare Lebenszeit gewinnen. Voraussetzung: Mensch muss sich vorher gut strukturiert und sortiert haben, z.B. persönliche Daten gut und digital abgelegt haben. Opas Zettelkasten mit alten Quittungen reicht nicht mehr für die Steuererklärung oder für andere Formulare.

Bewerbungen schreiben

Für manche sind Bewerbungen so lästig, sodass sie diese wahrscheinlich am liebsten A.I.-mäßig erstellen lassen würden (und manche Bewerbungen lesen sich auch tatsächlich so, als sei dies der Fall). Das Fachblatt t3n hat den Selbstversuch gestartet. Heraus kamen, je nach Prompt, immerhin formal ordentliche Anschreiben und Selbstbeschreibungen, z.T. anhand von Rückfragen der A.I. erstellt. Aber: je anspruchsvoller die ausgeschriebene Stelle, desto weniger adäquat das Ergebnis der A.I. Heißt: Wer sich auf gute Jobs bewerben möchte, sollte selbst ein paar Gedanken entwickeln und darlegen. Intelligente Leser:innen erkennen das an. 

"A.I.-generierte Kampagnen" - gibt es das?

Nein. Wird zwar behauptet, z.B. auf OMR: die erste AI-basierte Kampagne Deutschlands. Aber, was dort passiert, ist, dass lediglich mit A.I. generierte Bilder verwendet werden. Und da dabei auch ausdrücklich hingewiesen wird, wird lediglich auf dieser Welle mitgesurft. Und so steckt auch hier ein noch ein menschlicher und kein künstlicher Kopf dahinter, welcher sich das ausgedacht hat, gleich,ob man die jeweilige Idee nun gut oder nicht ganz so findet.

Aktuelles und Fakten selbst ermitteln

Daran kann eine A.I. schnell scheitern.

  • Brandaktuelles - kann sie gar nicht. Denn nur wenn etwas schon geschrieben steht, kann sie es auch erfassen. Aber ob das so auch stimmt? Dazu sollte man die A.I. lieber nicht befragen, denn woher soll sie das denn wissen?
  • Fakten prüfen - kann sie auch nicht. Falsches wiederholen natürlich umso mehr, denn etwas muss nur häufig niedergeschrieben sein, dann nimmt es die A.I. als wahr an. (Vor ähnlichem Problem stehen ja auch Altertumsforscher - zu Zeugnissen der Schreiberlinge der jeweiligen Siegerseite gibt es nur wenig Gegenstimmen. Ähnlich wenig aufgeklärt wären dann auch wir heute, siehe Social Media-Echoräume, Querdenker-Foren u.v.m.)

 

Versuch einer ersten Bewertung - Werdet und bleibt kreativ!

Was wir aus diesen Beispielen lernen.

  1. Bei Recherchen nach Fakten, Standardaufgaben wie Formulare ausfüllen und allem anderen, was einfache Reproduktion erfordert, ist A.I. gut. Sie kann Kreativen in Text und Strategie das Leben an einigen Stellen gut und sinnvoll erleichtern. Genau dadurch bekommen wir, was unsere Arbeit erleichtern sollte: mehr freie Zeit als Ressource für kreative Arbeit. 
  2. Sachbearbeitung und Verwaltung, alles, worin sie uns assistiert - auch das kann die A.I. gut.
  3. Listen und Ergebnisse: Wetterberichte, Sportergebnisse, ...
  4. Neues, aktuelles Geschehen bleibt der A.I. erstmal fremd, irgendjemand anders muss der oder die erste sein, welche:r das unbekannte Terrain beschreitet. Zu großen Schritten für die Menschheit ist sie von sich aus nicht imstande, auch wenn sie selbst bereits ein solcher sein mag. 
  5. Einordnung und Bewertung, die am Ende einer Analyse zumeist stehen, wenn sie richtig geleistet wird - das kann sie nicht.
  6. Die tatsächlichindividuelle Kreation: A.I. kann auch dies nicht alleine leisten, wofür ein freier Geist da sein sollte (auch wenn Repetition und Collage kreative Prinzipien sind, mit Gruß an HipHop, Dada, Picasso und viele andere). 

Das "Jarvis"-Konzept = Mastermind des "Vision" (das verstehen jetzt Eingeweihte), nämlich ein maschineller Geist, der frei zu Reflektion und Proaktivität imstande sei, ist bestimmt das Ziel, aber noch nicht erreicht, sodass gut Zeit bleibt, darauf uns einzustellen und selbst den zu lernen.

Wo lauern Gefahren?

  • Ja, wer null Bock auf Kreativität hat, ist erstmal durch A.I. gefährdet. Und das sind bestimmt einige, daher scheint diese Meinungsäußerung natürlich auch erstmal etwas elitär? Aber: sie ist bitte auch als Aufforderung zur individuellen Befreiung zu verstehen (though not very popular nowadays, it may seem).
  • Denn: Langeweile schafft die A.I. mühelos. In Serie produziert sie immer das Gleiche, zigmal das gleiche Motiv in Variation, aber keine Entwicklung und das ermüdet schnell. In unserem Beitrag https://www.drive.eu/driveblog/beitrag/killt-ai-die-kreation kann man das anhand der Bildbeispiele gut nachvollziehen.
  • "Wahrheit" - was ist das? Der A.I. ist das erstmal egal. Und daher sollte man ihr nicht vertrauen. Nicht bei wichtigen Infos und Fakten, wie Breaking News, Versicherungsdaten und allem, was tatsächlich wichtig und von hoher Bedeutung ist, besonders wenn daraus wichtige Entscheidungen abgeleitet werden müssen. 
  • Rechtliche Einschränkungen: Ganz so einfach kann eine A.I. es sich nicht machen, verletzt sie doch beim Sammeln, Stöbern und Verwursten so alles an Urheberrechten, was man sich vorstellen mag. Bei Bildern: Getty Images klagt gegen die Bilder-A.I. von Stable Fusion, ließ die doch in Bildern das Wasserzeichen der Bildagentur drin - blöder geht´s nicht. Das Urteil wird Präzendenzcharakter bekommen. 
  • Vorurteile, Lug und Trug - das beherrscht A.I. auch. Da darf man sich nichts vormachen - die Welt wird nicht einfacher durch sie, denn die A.I. gibt nur wieder, was ihr eingegeben worden ist, im Zweifel jeden Quatsch.

Im Ergebnis: Ohne gute Texter:innen und Strateg:innen wird die Welt also erstmal nicht bestehen können. 

Ausblick - wo geht´s hin? Wie vermeide ich Fake, Fehler und "faule Inhalte"

  • Noch mehr Formatierung, Standardisierung und Vereinfachungen, um Inhalte zu produzieren sind seit jeher Wunsch und Ziel in der Produktion von Contents für Medien. Wenn Kosten reduziert werden sollen, muss man einfach herzustellende Rezepte finden. Nicht viel Anderes passiert hier gerade zum wiederholten Mal. Wir müssen davon ausgehen, dass viele Contentproduzenten dies erstmal als vermeintliche "Chance" ansehen und so Inhalte produzieren wollen. In jedem Fall SEO-Texte, aber auch viele Basis-Contents, Clickbait-Inhalte, vermeintliche Wissenstexte und vieles mehr - die vielen Scheintoten aus dem TV-Nachmittagsprogramm der Neunziger lassen grüßen. 
  • Das Problem dabei: Wenn das Risiko minimiert werden soll, dann landet man "in der MItte", also Inhalte mit der höchsten "Treffsicherheit" , für möglichst viele Menschen und "Geschmäcker" finden und bilden den"Massengeschmack", den "Mainstream". Und je mehr Anbieter dies gleichzeitig tun, umso weniger unterscheidbar sind sie voneinander, umso austauschbarer. Das Schicksal der Formatradios, ihr schleichendes Dahinsichen, sollte Warnung genug sein. Doch so gehen viele klassische Marketer eben vor, wenn sie Contentprofile am Reißbrett formulieren.
  • Anspruchsvolle User:innen verlangen mehr: Sie wollen besseren Content, mehr als nur Repetition, sondern auch Reflektion, Differenzierung, Unterscheidbarkeit, in Teilen auch Variation udn Weiterentwicklung, wenn nicht gar Überraschung statt laufend ausschließlich Wiederholung. Doch wir wissen aus der Medienforschung, dass Wiederholungen der immer gleichen Inhaltemuster auch bestätigende und damit stabilisierende Funktionen für Nutzer:innen haben. Sie vermitteln Sicherheit, Beständigkeit. Und machen wir uns auch nichts vor: Es sitzen nicht immer nur Genies am Bildschirm, weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Beide Seiten wollen es sich manchmal auch nur ein wenig einfacher machen.
  • Das Authentizitätsproblem: AI kann Fakes, Fehler und "faule Inhalte" produzieren. Inhalte, die vermeintlich richtig, aber tatsächlich falsch, fehlerhaft und in keinem Fall "echt" sind. User:innen können dies (noch) nicht unterscheiden. Dies zu beweisen ist Aufgabe der Contentproduzenten.

Wie kann dann eine gute Strategie für Text und Content aussehen? Wie vermeide ich das "stuck-in-the-middle"-Problem?

  • Potenziale nutzen: SEO-Text ist einfach nur "Material", dies und andere Basisinhalte schreiben "lassen"
  • In der Spitze richtig gut sein: Ein eigenes Profil zu entwickeln, sehr gute eigene und individuelle Inhalte produzieren
  • Authentisch sein: beweisen, dass der Inhalt echt und individuell ist. 

Stephan Probst

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Stephan Probst unter pole-position(at)drive.eu - frohe Botschaften für alle. Stephan ist DRIVE und seine Begeisterung reißt alle in der Agentur mit.