OMR 2023: Viel Rockstars, wenig Marketing
11/05/23 Dem Ruf als Trendsetter im Marketing konnte die OMR dieses Jahr gerecht werden, oder?
Die Online Marketing Rockstars (OMR) sind bekannt für ihre innovative Herangehensweise und die Vorstellung neuer Trends und Ideen. Doch bei der diesjährigen Veranstaltung gab es wenig Neues zu entdecken. Die meisten der vorgestellten Trends waren bereits seit Jahren oder zumindest Monaten bekannt und wurden in der Online-Marketing-Community ausführlich diskutiert. Viele der Keynotes und Vorträge lieferten keine bahnbrechenden Erkenntnisse und schienen eher eine Zusammenfassung von bereits bekannten Informationen zu sein.
Für Marketer, die sich wenig mit ihrem Fachgebiet beschäftigen möchten, war die OMR eine gute Gelegenheit, schnell auf den neuesten Stand zu kommen. Doch für diejenigen, die sich regelmäßig über Newsletter, Blogs und Podcasts informieren, gab es wenig, was sie wirklich überraschte oder inspirierte. Bei den Masterclasses war dies je nach Thema unterschiedlich, aber auch hier gab es wenig wirklich neuen Erkenntnisse, zumal viele einen großen Werbeblock der jeweiligen Vortragenden hatten. Verständlich, haben diese doch viel Geld für die Masterclass bezahlt. Gleichzeitig aber auch schade. Immerhin erwartet man doch bei Masterclasses auf der Online Marketing Rockstars doch mehr fachliches WOW statt einer durchaus beruhigenden, aber auch ernüchternden Bestätigung des eigenen Wissensstandes. Für Marketer, die sich auch außerhalb der OMR intensiv mit ihrem Fachgebiet auseinandersetzen, bietet die Veranstaltung eher gute Möglichkeit, sich mit Kollegen auszutauschen und neue Kontakte zu knüpfen.
Datenschutz und die Rückbesinnung auf die Klassiker des Marketings
Ein wichtiges Thema war auch dieses Jahr datenschutzkonformes Tracking. Für viele allzusehr auf Performance und Trackingdaten gestützte Marketers dürfte eine Rückbesinnung auf klassische Marketingkompetenzen immer drängender werden. Insbesondere das Cookieless Datentracking ist dabei ein Thema, das stark diskutiert wurde. Mit zunehmender Verbreitung von Privacy-Verordnungen, Browserblocking und Adblockern wird es immer schwieriger, Nutzerdaten zu sammeln und zu nutzen (wie Leser dieses Blogs schon längst wissen). Auch das Setzen von First-Party-Cookies wird erschwert und erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit den neuen Vorgaben der Browser sowie einen erhöhten technischen Aufwand durch die Einrichtung.
Für Marketer bedeutet dies eine Herausforderung, da sie sich nun vermehrt auf klassische Marketingkompetenzen wie strategisches Denken, Psychologie, Empathie und kreative Vorstellungskraft verlassen müssen und weniger handfeste Zahlen haben. Der Fokus verschiebt sich weg von komplett kalkulier- und berechenbaren Kampagnenerfolgen durch Performance-Marketing hin zu einem ganzheitlicheren Ansatz, der auch den Kunden in den Mittelpunkt stellt. Unternehmen und Agenturen müssen nun lernen, diese zu nutzen und den Wandel aktiv zu gestalten. Ein Verschließen, Aussitzen oder Ignorieren dieser Entwicklung ist schon technisch nicht möglich: Bis auf Chrome bieten alle großen Browser mittlerweile Browserblocking an. Das bedeutet, das Sie über 51% ihrer Website-Nutzer ohnehin wahrscheinlich nichts erfahren werden. Zieht man hier noch die Nutzer von Trackingblock-Plugins und die Nutzer, die bei einem rechtskonformen Cookiebanner auf "Ablehnen" klicken, so bleiben Ihnen nur die Daten über ein Bruchteil Ihrer Nutzer. Dass dies keine aussagekräftige Basis für Marketing-Entscheidungen seien sollte (nicht einmal als Indiz!), ist selbstverständlich.
So erschreckend das für manche klingen mag, so bekannt ist das Thema an sich bereits im Marketing. Hoffentlich haben auf der OMR auch die letzten die Dringlichkeit bei diesem Thema gemerkt.
Wie Websiten Ihre CO2-Emmission senken (sollten)!
Ein wichtiges Thema, das auf der OMR diskutiert wurde, war die Nachhaltigkeit im Marketing. Es ist erfreulich, dass dieses Thema immer mehr an Bedeutung gewinnt und auch in der Online-Marketing-Branche angekommen ist. Einige der Vorträge und Diskussionen drehten sich darum, wie man Websites CO₂-ärmer gestalten kann und welche Rolle das Thema in Zukunft noch spielen wird. Guter Hinweis, das kam letztes Jahr trotz allem immer noch etwas zu kurz und war noch nicht in dem Fokus, den Klimakrise, Letzte Generation und Fridays for Future eigentlich erwarten sollten. Hier gibt es noch viel Verbesserungspotenzial, gerade da auch viele vermeintlich grüne und nachhaltige Marken "schmutzige" Websites betreiben. Wer die CO₂-Emission der eigenen Websites testen und optimieren lassen will, kann, sollte dafür unbedingt mit erfahrenen Agenturen zusammenarbeiten, da dies technisch und konzeptionell teilweise sehr anspruchsvoll seien kann. Es gibt bereits viele Tools und Ansätze, die genutzt werden können, um Websites nachhaltiger zu gestalten. Dabei geht es nicht nur um die technischen Aspekte wie die Energieeffizienz der Server, sondern auch um die Inhalte, die auf der Website präsentiert werden.
So wichtig das Thema, so unwirklich wirkte es aber auch auf der OMR. Nachhaltigkeit und viele der Werbepraktiken auf der OMR, wie zum Beispiel die vielen kostenlosen Werbegeschenke am Eingang, haben oft nicht zusammengepasst. Es wirkte beinahe satirisch, wenn man bei der Gepäckabgabe eine Gratis-Portion YFood in Plastikflaschen bekommen hat und auf dem Weg zum Talk über Nachhaltigkeit an überfüllten Mülleimern mit eben diesen Flaschen vorbeigegangen ist! Hier sollten Veranstalter von Messen und Konferenzen darauf achten, dass sie nicht nur über Nachhaltigkeit sprechen, sondern diese auch in ihrem Handeln und in ihren Entscheidungen umsetzen. Ansonsten wirkt es leider einfach unglaubwürdig.
Influencer-Marketing hat weiterhin viel Potenzial - aber achten Sie auf die Auswahl!
Auch ein oft besprochenes OMR-Thema: Influencer-Marketing! Klar bei einer Messe auf der man gefühlt alle 100 Meter auf einen Fynn Kliemann oder Knossi stößt. Längst keine neue Erscheinung mehr, bleibt Influencer Marketing weiterhin ein erfolgversprechendes Mittel für Marken, um ihre Zielgruppe zu erreichen. Gerade in Zeiten von adblockern und banner blindness können Influencer in sozialen Netzwerken eine wichtige Rolle spielen, um die Aufmerksamkeit der Zielgruppe zu gewinnen. Durch die Zusammenarbeit mit Influencern können Marken nicht nur Reichweite generieren, sondern auch das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit der Zielgruppe erhöhen. Die Möglichkeiten des Influencer-Marketings sind mittlerweile vielfältig und auch für kleinere Unternehmen erschwinglich. Es gibt Tools, die die Suche und Zusammenarbeit mit passenden Influencern erleichtern und das Tracking von Kampagnenerfolgen ermöglichen. Auch wir befassen uns schon seit einiger Zeit mit Influencer Marketing und beraten unsere Kunden dazu. Gerade im B2C-Bereich ist Influencer-Marketing mittlerweile essenziell.
Wer jedoch bereits Erfahrung in diesem Bereich hat oder sich regelmäßig weiterbildet, wird auch hierzu auf der OMR nicht unbedingt bahnbrechende Neuigkeiten in diesem Bereich erfahren. Lediglich ein paar der kleineren Aussteller und ihre Tools haben hier wirklich einen klaren Mehrwert mitgebracht und gezeigt, wie hier der neue Standard seien wird und wie man die Erfolge deutlich messbarer gestalten kann. Daneben werden aber viele höchstens darüber schmunzeln, dass gerade die OMR eine gewisse Vorsicht bei der Auswahl der Influencer auf den Bühnen manchmal hat vermissen lassen. Wem die Relevanz der Auswahl bisher nicht bewusst war, kann sich den extrem unangenehmen und zurecht kritisierten Talk vom Parfum-Influencer Jeremy Fragrance bei der OMR u.a. in den vielen Beiträgen auf LinkedIn und YouTube nachholen.
A (very basic) State of LinkedIn und welche Rolle Podcasts für Sie spielen werden!
Als wichtigste B2B-Plattform stand natürlich auch LinkedIn im Mittelpunkt. Hier sprachen Experten wie Britta Behrens von den LinkedIn-Spezialisten NERDS und hätte tiefe Einblicke geben können, musste sich aber wegen der geringen Zeit und vermutlich der Sorge vor zu viel Komplexität auf eher grundsätzliche Infos reduzieren. Schade, besonders da sie in ihren Podcasts deutlich besseren und tiefgreifenderen Input liefert. Wenn man mit LinkedIn Marketing und Ads bereits Erfahrungen hat und entsprechende Zertifikate vorweisen kann, war einem das meiste aus dem Talk leider schon bekannt.Gerade weil XING nur noch als reiner Jobbörse auftritt, bietet LinkedIn eine ideale, wenn nicht sogar die einzige Möglichkeit dieser Art zur direkten Kundenansprache, Brandbuilding und Netzwerkbildung im B2B. Die Plattform bietet zahlreiche Funktionen zur Präsentation des eigenen Unternehmens sowie zur Generierung von qualifizierten Leads.
Auch die Nutzung von Podcasts als Marketinginstrument gewinnt immer mehr an Bedeutung. Die vielseitige Audioform ermöglicht es, Inhalte auf eine persönliche und emotionale Art zu vermitteln und so das Publikum stärker zu binden. Auf der OMR wurden zahlreiche Beispiele und Best Practices vorgestellt, die zeigen, wie Podcasts erfolgreich als Teil einer Marketingstrategie eingesetzt werden können. In den kommenden Wochen werden wir uns noch intensiver mit diesen Themen beschäftigen und detaillierte Einblicke in die Nutzung von LinkedIn und Podcasts im Marketing geben.
KI im Marketing - Immernoch Wall-E vs Skynet
Und dann war da KI! Viele Speaker und Diskussionen drehten sich um den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Marketing. Dabei blieben viele Vorträge vage und unpräzise, mit nur wenigen Praxisbeispielen. Insgesamt fehlten echte Neuigkeiten und tiefere Einblicke in das Thema. Da half auch kein Frank Thelen, der aus seiner KI-Zuneigung keinen Hehl machte und klar mehr Integration von KI in unseren Alltag forderte, ohne konkrete Vorschläge bzgl. der Risiken zu machen - zumindest erwähnte er sie. Auch Vorträge von Google und Co. blieben eher schwammig, zeigten eher abstrakte Beispiele wie die Nutzung von KI zum Taggen von Ferienwohnungen und zeigten eher, dass selbst die Großen immer noch nicht wissen, wie sie KI umfänglich nutzen wollen/können/müssen.
Trotzdem bleibt der Einsatz von KI im Marketing ein vielversprechendes Feld. Die Möglichkeiten der Automatisierung und Personalisierung von Marketingaktivitäten können enorme Vorteile bringen. Allerdings sollten Unternehmen bei der Anwendung von KI immer auch die ethischen Aspekte berücksichtigen und kritisch hinterfragen, ob der Einsatz wirklich sinnvoll ist und den Kundennutzen erhöht. Falls Sie das Thema spannend finden, dann suchen Sie am besten ein paar interessierte Mitarbeiter und bieten diesen die Gelegenheit, sich regelmäßig und strategisch mit der Integration von KI auseinanderzusetzen. Ihre Konkurrenz, das zeigte die OMR, macht dies auch.
Fazit: Marketing und Inhalt sind auf der OMR sekundär
Anders als bei diesem Blogpost war aber das fachliche und inhaltliche zu den verschiedenen Marketing-Disziplinen bei dieser OMR nicht wirklich im Mittelpunkt. Belege gab es dafür unzählige: Werbemonitore, auf denen erst alle Musik-Acts und Celebrity (deren schiere Maße auch zumindest hinterfragt werden darf) nacheinander angezeigt wurden. Mit fachlichen Themen und Speakern wurde hingegen selbst auf LinkedIn wenig geworben. Ich wusste von Serena Williams und Mackelmore viel früher, dass sie da sein würden, als zum Beispiel von Britta Behrens (und hier auch nur, weil ich ihr folge).Allgemein schienen sehr viele Menschen nur dafür gekommen zu sein, frühmorgens direkt in die überfüllte Conference Hall zu gelangen und dann dort die Hauptvorträge der Celebrity zu sehen. Bis auf wenige Ausnahmen (Mittagspause?) war die Halle - so mein Eindruck - immer voll und auch bei strömenden Regen standen die Leute Schlange.
Die Halle A4, mit der eigentlich für Marketer deutlich wichtigeren Yellow Stage, auf der insbesondere Marketing-Talks waren, war hingegen relativ klein und am hinteren Ende, wenn auch teilweise nicht weniger voll. Dass die Messehalle von Vodafone und die Food-Halle hingegen deutlich größer und zentraler waren, wird hingegen andere Gründe gehabt haben. Marketing ist bei vielen der Beiwerk geworden, im Mittelpunkt standen Influencer, Promis und Musik-Acts. Das zieht die Masse, wenn auch zulasten der Inhalte. VIel mehr noch wirkt es wie ein Vorwand, warum man nach Hamburg fahren "muss", um dieses Festival mitzuerleben. Denn wer das Jahr über Augen und Ohren offen hat, bereit ist sich weiterzubilden und - nun ja - gerne Marketing macht, der lernt so mehr als bei vielen Masterclasses und ganz sicher als bei den meisten Talks. Wer will, kann sich natürlich gut vernetzen und Kontakte knüpfen, sofern man bei den verschiedenen Side-Events reinkommt. Ansonsten ist aber selbst das Networken in den teilweise überlaufenen Hallen und Außenflächen kaum möglich. Mein Highlight waren die kleinen Messestände mit Tool-Anbietern. Hier habe ich gesehen, wie Influencer-Marketing, Chatbots usw. bereits jetzt (auch mit KIs) funktionieren und konnte erahnen, wie sich diese Bereiche verändern werden. Aber davon gab es zu wenig - genau wie von tieferem Input.
Es hat mir - man mag es nicht glauben - trotz allem Spaß gemacht. Ich hatte letztes Jahr einen bereits ähnlichen Eindruck von der Messe bekommen, wollte mich aber insbesondere was die Masterclasses betraf, davon noch überzeugen lassen. Daher war aber auch meine Falltiefe nicht zu hoch und ich konnte das ganze als das wahrnehmen, was es ist: Ein großes Festival der Branche für sich selbst unter dem Deckmantel, sich fortzubilden. Nächstes Jahr werde ich wahrscheinlich lieber nur einen Tag da sein und mich mehr auf Networking und Masterclasses konzentrieren. Wer sich aber wirklich in den Disziplinen weiterentwickeln will, sollte vielleicht eher eine der kleineren Fachmessen besuchen statt das Online Marketing Rockstars Festival.